texte / eva buhrfeind

Solothurner Zeitung 25.Juli 2003

Archäologische Tiefenschichten fremder Kulturen


Galerie Selz Jörg Mollets «Notate aus der Wüste» im jurassischen Perrefitte bei Moutier

«Notate aus der Wüste» nennt Jörg Mollet seine in der Galerie Selz im jurassischen Perrefitte gezeigten Arbeiten, in denen er Eindrücke aus der algerischen Wüste mit philosophischen Chiffren seiner malerischen Ordnungen verwebt.
Seit vielen Jahren schon bereist Jörg Mollet oft monatelang fremde Länder, so im letzten Jahr die Sahara und Anfang 2003 Südalgerien und Mali. Auf seinen Reisen sucht er über die fremden kulturellen Erfahrungen die künstlerische Herausforderung, lotet und ortet so seine Bildfindungen immer neu aus. Doch stets bildet Jörg Mollet in seinen Werken keine scheinbare Wirklichkeit ab. Seine Wahrnehmung ist ein archäologisches In-die-Tiefe-Dringen der Seele dieser Kulturen, ihrer Chiffren, Spuren und Ordnungen, um diese in künstlerischen Prozessen des Wachsens und Wandels sichtbarer und unsichtbarer Strukturen, Schichtungen und Collagierungen mit seinen persönlichen, fernöstlich begründeten philosophischen Energieformeln zu vereinen.
Energiegeflechte und Stoffresten
So gibt Jörg Mollet in seinen meditativ verwobenen Abstraktionen seinem Empfinden dieser fremdkulturellen Ereignisse eine Sprache, indem er sie mit dichten und transparenten Farbfeldern und –bahnen, gestischen Chiffrierungen, kalligrafischen und zeichenhaften Figurationen zu einem gesamthaften Kontext kodiert. Und auch in diesen neuen Bildern – mehrheitlich auf Shoji-Papier, das der Solothurner seit seinem China-Aufenthalt von 1993 verwendet und aufwändig bearbeitet – verknüpft Mollet verschiedene fremde und eigene kulturelle Spannungen. So baut er in der algerischen Wüste aus Steinen Grundmuster so genannter taoistischer Schutzhäuser, die für verschiedene Elemente und deren Farbzuordnungen stehen. Diese Energiegeflechte lässt er genauso malerisch in das jeweilige Bildgeschehen einfliessen wie die in der Wüste gefundenen Stoffreste. Als digital projizierte, vergrösserte und airgebrushte, popartige Muster durchbrechen sie die native Webordnung von Dichte und Transparenz, subjektivem Bewusstsein und ursprünglicher Gestik als Grat zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Diese bunten Stofffetzen – Relikte einer neuzeitlichen Zivilisation in der archaischen Landschaft – hat er in der Galerie wie einen Fries über die Bilder arrangiert und verleiht derart der konzentrierten Haltung einen folkloristisch-spielerischen Charakter.
Ein Zeichnband als Kernstück
In kleinen Bildtafeln dann sublimiert Mollet landschaftliche Extreme des Sonnenlichtes zu lyrischen Empfindungen, wenn sich Gelb und Schwarz in geometrischen Formationen in-, mit- oder übereinander formieren, um in anderen Arbeiten die unmittelbaren Erfahrungen unter fremdartigen Bedingungen poetisch einfach zu notieren. Ein Kernstück in dieser Ausstellung ist ein 12,5 Meter langes Zeichenband als Hommage an den vor 300 Jahren lebenden Literaten und Maler Xiao Yuncong. Diese in der Wüste zusammengetragenen kalligrafischen und szenischen Piktogramme vereinen wie archaische Höhlenzeichnungen, fernöstliche Landschaften und neuzeitliche Cartoons zugleich philosophische und erlebte Momente zu einer spontan assoziativen Bildgeschichte.